Das besinnliche Fest

Dezember 10, 2010

Weihnachten steht vor der Tür. Dieser Satz weckt in den meisten meiner Artgenossen ein unangenehmes Flauegefühl in der Magengegend. Im Angesicht der bevorstehenden besinnlichen Tage verzweifeln die meisten an der unbefriedigenden Suche nach Geschenken in überfüllten Einkaufscentern, an Teigmassen, die zu Plätchen geformt werden wollen und dem Gedanken an das Zusammenkommen der verkorksten Familie, die man den Rest des Jahres so gekonnt umgehen konnte.

Im Gegensatz dazu bin ich ein Weihnachtsnarr, sozusagen der Fanclub der Pussycatdolls in einer von Metal geprägten Gesellschaft. Ich liebe Weihnachten. Ab einem bestimmten Tag im Dezember könnte ich endlos Weihnachtslieder trällern, Geschenke shoppen, wobei auch ich überfüllte Weihnachtscenter vermeide, weil mir dort der grummelige Menschenschlag das schöne Fest verderben könnte, könnte endlos Weihnachtskram basteln, Plätzchen futtern und mir Weihnachtsgeschichten anhören.

Ich könnte nie zu einer (oder zwei oder drei) Tasse Glühwein bei Kerzenschein, Weihnachtsmusik, Räuchermännchen, Holzschnittbögen, Schneeflöckchen und Dominosteinen oder Spekulatius nein sagen. Als wir noch bei meiner Mutter lebten war Weihnachten das Fest des Jahres und der traditionelle Plastikweihnachtsbaum unter dem unsere Wihnachtsteller standen, war für mich der schönste Baum der Welt. Ich erfreute mich an Adventskalendern, die meine Mutter selber bastelte und teilweise an Schnüren durch die ganze Wohnung zog und Spieleabenden im Kerzenschein. Auch die selbsgedichteten Werke meiner Mutter waren immer ein Highlight : „Lieber guter Weihnachtsmann, lass doch deine Hosen an und beschenk uns bitte nicht zu knapp…“ Heute versuche ich mir dieses Stück heile Welt an Weihnachten zurück zu holen. Es ist wie eine Droge, wie das Flashback in dem von Dan Simmons geschriebenen Werk „Die Hyperion Gesänge“. Es ist sozusagen ein Zwang der Besinung auf die gute alten Zeiten. So kann es vorkommen, dass ich mir an Weihnachten, wenn das Fest nicht so kreativ oder schön gestaltet ist wie das meine Mutter mit uns tat, ein paar Tränen verdrücken muss oder für einige Stunden klein und eingesunken auf einem Sessel sitze und mich frage, warum ich mir jedes Jahr wieder eine neue Familie borgen muss. Die letzten Jahre feierte ich jedes Weihnachten bei den Familien meiner Partner. Es war auf jeden Fall schöner als bei meinem Stiefvater, aber es wird auch nie wieder so schön sein, wie ich es in meinen Erinnerungen gespeichert habe.

Dieses Jahr werde ich deshalb am heiligen Abend mit meinem Bruder und meiner Kindergartenfreundin wie früher mit meiner Mum zum Krippenspiel in unserer alten Gemeinde gehen und danach noch einen kurzen Abstecher zu meinem Stiefvater machen. Erst am 25. fahre ich dann zu der Familie von K nach Rostock. Es ist auch unfair von „fremden“ Familien zu erwarten, dass sie die eigene Familie ersetzen und ich sollte meinen Bruder nicht jedes Jahr an Weihnachten alleine lassen nur weil ich mich nach einem Stück heile Welt sehne.

Weihnachten ist und bleibt eins meiner liebsten Feste und irgendwann werde ich meine Kinder mal zum Heulen bringen vor Lachen, weil ich mir seltsame Weihnachtsgedichte ausdenke oder sie sich den Kopf an den Schnüren vom Adventskalender stoßen, der durchs Wohnzimmer gespannt ist.

 

Liebesbrief

Oktober 4, 2010

Lieber K,

wir sehen uns jetzt nur noch selten und daher schreibe ich dir einen Brief, um dir zu erzählen, was ich denke, wenn ich denke. Ich sehne mich unglaublich stark nach dir. Ich habe in den letzten vier Wochen so viel zu tun, dass ich dich kaum genießen konnte. Wenn ich dich dann mit anderen zusammen sehe, fällt es mir schwer in eure Diskussionen und Gespräche einzusteigen. Ich habe so viel zu tun, dass ich so selten zum Denken oder Diskutieren komme und tiefschürfend intellektuelle Gespräche mich, nun ja sie überfordern mich nicht direkt, aber sie sind gerade sehr anstrengend für mich und haben nichts mit meiner aktuellen Lebenswelt zu tun. Ich habe gerade nicht die Geduld und Kraft mich mal wieder in deine, mir fremde Lebenswelt, einzugliedern und ich fühle mich daher oft sehr allein. Ich vermisse es, deine Welt mit dir zu teilen. Ich würde gerne mehr Anteil an dem nehmen, was dich beschäftigt und gleichzeitig sehne ich mich unheimlich nach deiner Anteilnahme, die mir das Leben ein wenig einfacher machen würde. Ich fühle mich gerade sehr gestresst und überfordert. Gleichzeitig ist es unglaublich interessant, was ich bei meinem Praktikum so lerne und bei der Arbeit an meiner Bachelor-Arbeit…, da das alles aber nicht viel mit deinen Interessen zu tun hat, fühle ich mich oft uninteressant. Ich fühle mich daher wieder stärker körperlich zu dir hingezogen, um den Verlust auszugleichen, aber auch hier fühle ich mich oft zurückgestoßen. Wenn du mich wegen meiner Arbeitsklamotten nicht attraktiv findest und deshalb in Kauf nimmst, dass wir noch eine weitere Woche keinen Sex haben werden, verletzt mich das unheimlich. Ich ersuche ständig irgendwie Kontakt mit dir aufzunehmen, aber scheitere dabei gerade grandios. Wenn wir uns öfter sehen würden, hätte ich auch kein Problem damit, wenn du auf einer Party mit anderen Nerds diskutierst und darüber vergisst mich zu fragen wie mein Tag war, ob mein Knie noch weh tut oder mich einfach nur zu drücken, weil ich einen schweren Tag hatte und mir schon ne Paracetamol geschmissen habe, damit ich dich auf der Party sehen kann. In der Realität jedoch bin ich hauptsächlich für dich auf die Party gegangen und fühlte mich im Stich gelassen und allein. Der einzige Mensch, der für mich da war, war N und nicht einmal das hast du bemerkt. Ich denke, dass es dir auch nicht viel anders geht, aber ich möchte dir gestehen, dass ich dich mehr brauche als du für mich da sein kannst und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Warum sagst du mir, wenn ich weine, dass Tränen mir nicht stehen und lässt mich mit meinem Kummer alleine? Denkst du, dass ich übertreibe? Kannst du mich nicht verstehen? Übertreibe ich wirklich? Ich möchte nicht ständig unzufrieden sein mit unsere Beziehung, aber ich bin gerade sehr frustriert. Ich sehe die ganze Zeit wie viel Mühe wir uns beide geben, aber trotzdem erwarten wir Dinge voneinander, die wir nicht erfüllen können. Wir sind einfach so unglaublich unterschiedlich. Ich liebe dich und ich merke das jeden Tag und ich will auch niemand anderen auch nicht irgendwelche Kanadier, denen ich wenn sie mir zu nahe kommen wollten, eh nen Korb gegeben habe. Ich will dich, aber ich habe das Gefühl, dass ich dich gar nicht ganz haben kann. Ich vermisse dich einfach. Ich vermisse es Zeit zu haben, um mich auf dich einzustellen, Geduld zu haben, um dich zu verstehen, Zeit zu haben, um sexuelle mit dir kreativ zu sein, die Kraft zu haben, Enttäuschungen zu überstehen und ich Vermisse meine Verliebtheit und deine Verliebtheit.

In Liebe.

An meine Mutter!

Juli 16, 2010

An meine Mutter!

Ich hab dich jetzt schon über zwei Jahre nicht mehr gesehen. Ich mach mir Sorgen um dich und ich vermisse dich. Ich weiß, wenn du morgen vor der Tür stündest, wäre ich wieder maßlos enttäuscht. Du bist nicht mehr die, die ich als Kind so geliebt habe, weil du nur noch dich siehst…nur noch dein Leben, deine Freiheit, dein Wohl. Vielleicht habe ich all das verspielt als ich dich zwangseinweisen ließ, aber ich habe es nicht bereut. Dein Lebensstil und deine Probleme waren nicht für uns Kinder tragbar. Trotzdem spüre ich jedes Mal, wenn ich dich wieder sehe, die Tragik deines und meines Verlusts und die Erleichterung darüber, dass du noch lebst. Du hast mich geprägt und viele deiner Eigenschaften haben mir im Leben geholfen und mich zu dem gemacht, was ich bin und das ist glücklich. Dein Humor, deine Lebenslust, dein Erlebnisdrang, deine Kreativität, deine Sexualität, dein Gerechtigkeitssinn, dein Intellekt, dein Aussehen, deine Fähigkeit Liebe zu geben und aus nichts Etwas zu machen und im Angesicht der schlimmsten Tragödien nicht zu zerbrechen, werden mich mein Leben lang begleiten. Aber ich habe auch mehr gelernt. Du sagtest, dass alle Männer scheiße seien. Ich habe etwas besseres gelernt. Du meintest, dass es keine wahren Freunde gäbe und alle auf ihr eigenes Wohl bedacht wären, ich wurde eines Besseren belehrt. Ich fand immer Hilfe, wenn ich an eine Tür klopfte und ich fand immer Liebe in meinen Beziehungen, die meist eher durch meine Unfähigkeit bzw. meine Unbeständigkeit auseinander gingen. Manchmal schäme ich mich dafür, dass ich mein Leben leichter leben und nehmen kann als du. Ich schäme mich dafür, dass ich dich dazu gezwungen hab, dein Erziehungsrecht an uns abzugeben…. Du meintest immer, dass wir dein ein und alles seien und selbst das habe ich dir auf dem Papier genommen. Aber im Herzen werde ich immer deine Tochter sein, werde dich immer lieben, auch wenn du mich in den Wahnsinn treiben könntest. Ich bin froh, dass du nicht mehr in der Geschlossenen bist, bin froh, dass sie deinen Charakter nicht weiter durch Medikamente unterdrücken und dich deiner Seele berauben, bin froh, dass deine Arme und Hände nicht mehr unkontrolliert zittern und du dich eingesperrt fühlen musst, aber auch das Leben auf der Strasse ist bestimmt nicht deine Erfüllung. Es ist besser, aber ich vermisse dich wirklich sehr und ich weiß trotzdem nicht wie ich leben sollte, wenn du hier in Berlin leben würdest. Ich würde mich schuldig und verpflichtet fühlen für dich da zu sein und du würdest nicht merken wie es mich auffrisst jeden Tag aufs neue zu sehen, dass du eine Andere geworden bist, dass deine Leichtigkeit fort ist und dein spritziger Humor durch schwarzen Zynismus verdrängt wurde. Ich wünscht mir, dass du wieder Vertrauen fassen könntest in die Menschen und dein Leben. Ich wünschte mir du könntest so glücklich sein wie ich.

Ich liebe dich,

deine Heike.

Er ist da und er ist …mein Schatz. Heute ist der Kater Joschi, der am 20.Juli 2009 geboren wurde, den zweiten Tag in meiner WG. Ich bin jetzt also Katzenmama. Als ich noch kleiner war, hatte ich einen heiden Respekt vor Katzen. Ich war eher Hunde affin. Diese schleichenden uneinsehbaren gepelzten aggressiven Tiere waren mir nicht geheuer. Dann jedoch band mich das Schicksal an einen Wollfaden an dessen Ende eine spielige Katze auf mich wartete. Ich hatte in meinem Leben bis einschließlich jetzt drei ernsthafte Beziehungen und alle diese hervorragenden lieben Männer mit denen ich insgesamt 5 glückliche Jahr verbracht habe, hatten Katzen. Selbst L. mit dem ich nicht mal eine Beziehung hatte, hatte eine Katze. Das ist in etwa so als ob dich das Schicksal oder was auch immer mit dem Kopf immer wieder in die Kloschüssel stukt, um dir zu zeigen, dass da Wasser im Klos ist. Nachdem ich mich also an die Katzen und die Männer gewöhnt hatte und nun mit K. zusammen bin, dessen Katze bei seinen Eltern verblieben ist, fehlte da irgendwas. Es fehlte das wilde Mai-Kätzchen Vito, dass in meinen Fuß biss, wenn er über den Bettrand herausguckte, es fehlte der alte Mätzchen, der sich ans Fußende mit schlafen legte und die dreiste Smartie, die sich bei der Vorbereitung auf mein Abitur natürlich immer auf meine Lernunterlagen legen musste. Selbst Bruno fehlt einem irgendwie. Dieser gechillte Kater, der so tut als hätte er nix mit einem zu tun bis er Futter riecht. Dazu kommt, dass ich gerade einen äußerst starken Kinderwunsch habe und dieser Katzenwunsch wohl eine Kompensation darstellt. Da ist was Kleines Weiches Niedliches, um das man sich kümmern kann und weshalb man die Lust auf ein Baby erstmal noch eine gewisse Zeit verdrängt, bis es dann soweit ist. Joschi ist zumindest genau der Richtige für mich. Er spielt wie ein verrückter, ist super verschmust, total vorsichtig und super hübsch. Schon in der ersten Nacht kam er, nachdem wir ihn aus seinem Zu-hause entführt hatten, früh um 5Uhr auf mein Bett miauzte uns an und wollte gestreichelt werden. Nach dem Aufstehen ging es weiter mit Zimmer durchsuchen, Spielen, Streicheln, Bürsten und was ein Kater eben sonst so macht. So und weil dieser Kater mich gerade belagert, werde ich mal aufstehen und Dosenöffner spielen. „Bitte bitte lass mich dein Sklave sein!“

Mein Vater

Februar 16, 2010

Es ist ein ganz normaler Tag. Ich bin 12 Jahre alt. Meine Mutter liegt in der Badewanne. Das kann sie stundenlang.

Diese Angewohnheit habe ich von ihr übernommen. Die längste Badezeit für mich ist ca. 4 Stunden. Bei guter Musik und einem guten Buch bade ich jedoch normalerweise ca. ein bis zwei Stunden. Die Badewanne war für meine Mutter und ist nun für mich der perfekte Ort zum entspannen. Man lässt die Gedanken treiben und der Körper löst sich in angenehmes Wohlbefinden auf, während die Emotionen sich nur noch so leicht kräuseln wie die Wellen im Badewasser. Ich weiß nicht warum, aber ich war schon immer besonders Wasser affin. Auch auf Seen schwimme ich soweit raus wie ich kann, um allein zu sein. Meistens lasse ich mich irgendwann auf dem Rücken treiben und stelle mir vor, dass der See ein riesiges leichtes Bett wäre, in dem ich mich auflöse und der Himmel meine Zudecke ist.

An jenem Tag jedoch schien meine Mutter ein Gedanke nicht mehr los zu lassen. „Heike, kommst du mal bitte kurz“? Ich ging ins Bad und setzte mich neben die Badewanne. „Ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Dein Vater ist nicht dein richtiger Vater“. Ich war im ersten Moment total überrascht, aber irgendwie machte das Sinn. Es war seltsamerweise selbst verständlich. Nach etwa einer Minute hatte ich mich mit dem Gedanken angefreundet, dass der Mann, denn ich 12 Jahr für meinen leiblichen Vater hielt, gar nicht mein Vater war. Ich begann meine Mutter aus zu fragen. Sie erklärte mir die damaligen Umstände. Sie hatte sich gerade von ihrem Freund getrennt und war wohl kurz danach wieder mit zwei Anderen intim. Es gab einen Schwangerschaftstest. Sie hoffte insgeheim, dass es ihr Ex-Freund sei, weil sie noch sehr an ihm hing, aber es war ausgerechnet der verheiratete One-Night-Stand. Dieser wollte natürlich nichts von mir wissen. Schließlich war ich der Beweis seiner Untreue und zudem hatte er wohl schon eine Tochter. Als ich ca. ein Jahr alt war, heiratete meine Mutter meinen Stiefvater und mein Bruder wurde geboren. Nach ca. noch einem Jahr ließen sie sich wieder scheiden. Trotzdem war mein Stiefvater mir immer ein Vater, selbst als meine „Eltern“ getrennt waren. Er war kein besonders aufmerksamer Vater, aber ich wusste, dass ich immer zu ihm kommen könnte, wenn ich ein Problem hätte, bei dem meine Mutter mir nicht weiterhelfen konnte.

Ich hatte also einen anderen Vater. Meine Mutter fragte mich, ob ich ihn den kennen lernen wollte. Natürlich wollte ich. Wir fuhren also einige Tage später zu ihm. Seine Frau macht uns auf und holte ihn an die Tür. Wir gingen in ein Kaffee und redeten. „Ich wusste, dass dieser Tag mal kommt“, war seine Reaktion auf unseren Besuch. Zunächst sprachen meine Mutter und er viel über alte Zeiten. Ich fühlte mich fehl am Platz. Er fragte mich fast nichts und wollte, dass ich ihn ausfragte. Mir viel nicht viel ein. Ich fragte, ob ich ihm schreiben dürfe. Er meinte ja, aber ohne Absender. Ich fragte, ob ich noch Großeltern oder andere Verwandte habe und über meine Halbschwester. Er meinte, dass ich auf meine Kinder wegen einer Hüftverstellung acht geben sollte. Diese sei erblich und bei seiner Tochter aufgetaucht. Als ich ein Jahr alt war, hatte ich daher einen Spreizgips. Das Treffen war etwas ernüchternd. Ich hatte gehofft, dass ich meinen väterlichen Familienteil kennen lernen dürfte und er mehr Interesse an mir zeigen würde. Er möchte jedoch nicht, dass seine Familie von mir erfährt. Seine Frau weiß es zwar schon, aber er fragt sich, was der Rest der Familie darüber denken würde.

Zum Abschied wollte ich ihm ein Passfoto von mir schenken. Er wollte es mir zurückgeben uns sagte „Wozu brauch ich das“?. Meine Mutter überzeugte ihn aber davon, es doch zu nehmen. Er hat mir nie eine Karte geschickt, nie auf meine Briefe geantwortet und nicht mal nach mir gefragt als meine Mutter zwangs eingewiesen wurde und ich zu meinem Stiefvater zog. Als ich mit Studieren anfing, besorgte er sich einen Anwalt, der jetzt den Kindergeld- und Bafögkram mit mir abspricht. Er ist nicht mein Vater. Er ist nur mein Erzeuger geworden. Alles in Allem ist er sogar ein ziemliches Weichei und ein Schisser und irgendwann, wenn er tot ist, werde ich meine Halbschwester kennen lernen. Für meinen Geschmack viel zu spät, aber ich warte auf dieses freudige Ereignis.

Eigentlich müsste hier ein langer Artikel zur Nazi-Blockade in Dresden stehen, aber da schreiben ja auch viele Andere drüber und wenn ihr wissen wollt, was so passiert ist, könnt ihr diesen Blog-Eintrag lesen: http://www.woschod.de/2010/02/13/dresden-13-februar-nazis-erfolgreich-blockiert/. Etwas kritischer wird der http://blog.adrianlang.de das bestimmt in Kürze aufarbeiten, der in unserer Bezugsgruppe war. Allgemein kann man sagen, dass wir eine Großdemo der Nazis verhindern konnten, jedoch Splittergruppen trotzdem durch die Stadt ziehen konnten. Im Großen und Ganzen waren die Nazis aber ganz schön angepisst, weshalb sie in anderen Städten randalierten und ein antifaschistisches Zentrum in Dresden (AZ Conni) angriffen. Wir waren überwiegend bei der großen Blockade auf der Hansastraße und schauten später noch bei der Absperrung Fritz-Reuter Straße Ecke Hansastraße rein, weil wir befürchteten, dass die Nazis in der Nähe eine Glegenheit zum Durchziehen bekommen könnten. Dort wurden auch brennende Barrikaden von Autonomen errichtet und dann auch Wasserwerfer von der Polizei eingesetzt. Grund für den Einsatz der Wasserwerfer waren offiziell tatsächlich Schneebälle, die von Demonstranten auf die Polizei geworfen wurden. Am Ende der Blockade, gegen 17 Uhr, wurden erstmals massiv und aggressiv Demonstranten von der Polizei festgenommen. Wir konnten beobachten wie ein Demonstrant, der ein Polizeiauto mit der Handfläche schlug, von einem Beamten beinahe zusammengeschlagen wurde. Andererseits gab es zum Ende hin auch ziemliche Idioten, die aus Polizeiautos, die uns den Weg zu den Bussen versperrten, Luft aus den Reifen ließen oder Seitenspiegel zerstörten, obwohl diese Fahrzeuge noch weggefahren werden sollten, damit wir zu den Bussen kommen konnten. So mussten sich die 10 000 Demonstranten durch ein oder zwei Auto-Lücken schlängeln. Gleichzeitig ist jedoch auch nicht zu verstehen, warum wir so lange auf Polizeischutz warten mussten, wenn schon unzählige Beamten in unserer Nähe waren und wir zu 10 000 durch die Stadt marschierten. Die Polizisten am Blockade-Punkt Hansastraße waren jedoch sehr entspannt und ließen auch einen ausgiebigen Schneeballbewurf mit einem ironischen Lächeln zu. Am Ende konnte man sogar einige Beamte zur Musik mitwippen sehen. Nächstes Jahr bin ich auf alle Fälle wieder mit dabei. Der abschließende Demonstrationszug war ein gelungener Abschluss für die ganze Aktion.  In diesem Sinne: „No Paserán!“

Kaffeeklatsch

Februar 14, 2010

Heute ist Valentinstag. Nachdem ich mich aus dem Bett gequält habe und überrascht darüber war, dass die gestrigen Schmerzen von den 10 Stunden Stehen und Laufen auf der Nazi-Blockade in Dresden wirklich an Intensität abgenommen haben, wusch ich mich und zog mich an. Ich war verabredet. K. fuhr mich zum S-Bahnhof Ostkreuz, damit ich mich besser in Richtung Hohenschönhausen aufmachen konnte. Ich sollte um 14 Uhr ankommen. Bisher hatte ich mich immer um mindestens 20 Minuten verspätet und so war ich sehr erleichtert, als ich um punkt 14 Uhr vor der Tür meines Stiefvaters stand.

Als Erstes kam mir Ayra, eine kleine Mischlingshündin, aufgeregt kläffend entgegen. Mein Stiefvater hatte sie sich vor ca. einem Jahr zu gelegt. Etwas später legte sich seine Freundin passender weise eine Katze zu. Ich frage mich bis heute, ob sie sich unterschwellig von ihm abgrenzen oder ihn provozieren wollte. Ayra ist von ihrem Aussehen nach ein typischer Rentner-Hund und passt deshalb sehr gut zu meinem Stiefvater. Unpassend ist nur ihre übergroße Begeisterungsfähigkeit und Freude über Besucher. Ich habe die Kleine schon am ersten Tag in mein Herz geschlossen und liebe es, sie ausgiebig zu streicheln und zu kraulen. Sie dankt es einem durch unkoordiniertes Schlecken, wobei sie seltsamerweise eine Vorliebe fürs Bauchnabel- und Ohrauslecken hat.

Aber zurück zum Kern meiner Familie. Ich habe ca. 6 Jahre bei meinem Stiefvater gelebt. Er ist der leibliche Vater meines Bruders und war ein Jahr mit unserer gemeinsamen Mutter verheiratet. Das war vor ungefähr 21 Jahren. Danach ließen sie sich scheiden und mein Bruder und ich lebten bis zu meinem 15. Lebensjahr alleine bei unserer Mutter. Warum sich das änderte, ist eine lange Geschichte und wird wohl Stoff für einen anderen Blog-Eintrag bieten.

Besuche bei meinem Stiefvater sind immer so etwas wie eine Begegnung mit der anderen Art. Sie erinnern mich daran, dass nicht alle studiert haben, engagiert und abenteuerlustig sind. Als ich ankam, saß die Freundin meines Vaters, ein großer Fan der „Pussy Cat Dolls“, auf dem Bett und guckte die Wiederholung von „Deutschland sucht den Superstar“. Der Tisch war schon mit Kaffee und Kuchen bestückt. Es war ca. 5 Minuten nach 14 Uhr und mein Stiefvater fing an sich darüber aufzuregen, dass mein Bruder, der wohl auch noch zum Kaffee- Trinken beordert wurde, noch nicht gekommen war. Es klingelte just in diesem Moment und ich öffnete meinem Bruder mit einem wissenden Lächeln die Tür. Er war ziemlich kaputt, weil er noch gestern auf einer Party war und dort wohl sehr stark dem Alkohol gefröhnt hatte. Wir setzten uns und aßen Zupf- und Käsekuchen mit Schlagsahne. Dazu gab es massenweise Kaffee. Die Gespräche fingen an. Ich hatte schon versucht alle für ein Gespräch über die Nazi-Blockade in Dresden und die Erlebnisse dort zu gewinnen, war jedoch, wie immer wenn ich etwas mir als wichtig erscheinendes erzählen will, gescheitert. Es kam also zu einem ausführlichen Gespräch über V&C Kochgeschirr, Staubsaugerbeutel, Fahnenverbote, Handytarife, das Sparverhalten meines Bruders und Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen. Zwischendurch wollte mein Bruder bei einem Film rein gucken, den er angefangen hatte zu schauen. So dass zwischenzeitlich zwei (!) Fernseher liefen. Ich konnte also zwischen dem wundervollen Film „Biker Boys“ und einer Doku über die Rettung von einem Café – Betrieb wählen. Gegen 17 Uhr verabschiedete ich mich, weil wir am Sonntag immer unseren WG-Putztag haben.

Ich mag meine Familie, aber ich habe kaum Gemeinsamkeiten mit ihnen. Immer wieder muss ich resignieren, wenn ich versuche sie an meinem Leben Anteil nehmen zu lassen. Berechtigterweise muss ich jedoch auch sagen, dass ich an ihrem Leben auch nicht viel Anteil nehme. Denn was habe ich schon zu „Deutschland sucht den Superstar“, „Biker Boys“ oder zu Handytarifen zu sagen?

Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass mein zuletzt veröffentlichter Artikel vielleicht unter die Kinderpornographie fallen könnte, möchte ihn aber trotzdem weiter veröffentlichen und nur noch einmal darauf verweisen, dass ich Kinderpornopraphie auf keinen Fall unterstütze. Die Intention dieses Artikels ist es das Thema einfach öffentlicher zu machen und nicht tot zu schweigen. Ich möchte auch erzählen, was genau passiert ist, damit es keine Missverständnisse gibt und keiner schwammige Fantasien über den Ablauf des Geschehens entwickelt. Für eine Vertiefung des Themas empfehle ich diese Website : http://www.praevention.org/basiswissen.htm . Sie ist leider optisch nicht besonders gut aufbereitet, aber informativ.

Meine Sexualität

Februar 11, 2010

Ich mache mir ziemlich häufig Gedanken über meine Sexualität. Sie nimmt einen ziemlich großen Raum in meinem Leben ein, manchmal denke ich, einen zu großen.

Meine sexuellen Aktivitäten begannen recht früh, wenn auch erzwungen. Meine Mutter zog mich und meinen Bruder allein groß und hatte anfangs sogar noch Arbeit. So kam es, dass wir viel Zeit alleine verbrachten. Wir waren Schlüsselkinder und stromerten auf den Straßen von Marzahn herum. Eines Tages lernte mein Bruder einen älteren Mann kennen. Er freundete sich mit ihm an. Ich denke er war so um die 50 Jahre alt. Ich war 6 oder 7 Jahre alt. Wir gingen auf eine Einladung hin einmal zu ihm zum Café-Trinken. Wie meine Mutter uns das erlauben konnte, ist mir bis heute schleierhaft, aber ich denke, dass sie schon damals psychisch krank war. Während mein Bruder auf dem Teppich Fernsehen guckte, machte ich auf dem Sofa unterm Tisch das erste Mal in meinem Leben die Bekanntschaft mit einem ausgewachsenen Penis. Der Mann machte seinen Reißverschluss auf und hielt ihn in mein Gesichtsfeld. Als nächstes sollte ich ihn in den Mund nehmen und mir wurde das von den Männern so gemochte Blasen beigebracht. Ich verstand nicht,was ich tat und war das neue Werkzeug eines pädophilen alten Mannes. Ich ersetzte glaube ich seine Ex-Frau. Wir gingen oft zu ihm. Mein Bruder wurde vor dem Fernseher geparkt, während ich im Schlafzimmer ausgezogen und begrabscht wurde.

Es gefiel mir, wenn er mich anfasste und meine Muschi leckte, es gefiel mir weniger seinen dicken Penis in meinen Kindermund zu nehmen, während er meinen Kopf in den richtigen Rhythmus drückte oder ich es ihm mit der Hand machen sollte. Ein Mal versuchte er in meinen kleinen Mädchenkörper einzudringen, aber er wollte mir nicht weh tun und gab es nach ein zwei Versuchen auf. Ein anderes Mal ejakulierte er auf mich. Er wurde danach sehr nervös und zwang mich sofort unter die Dusche. Er schenkte mir Armbänder seiner Ex-Frau und meinem Bruder und mir Spiele. Gleichzeitig drohte er mir, mich umzubringen,wenn ich jemandem jemals von unseren Spielereien erzählen sollte. Er machte mir keine Angst. Allein die Scham über das Erlebte, nachdem ich überhaupt begriff, was ich da tat, brachte mich einige Jahre zum Schweigen. Selbst als meine Mutter mich zum Frauenarzt brachte, weil er mir meine erste Geschlechtskrankheit schenkte, schwieg ich aus Scham. Ich war schließlich freiwillig zu ihm gegangen und mir gefiel sogar teilweise, was er mit mir machte. Er hatte mich nie geschlagen. Heute habe ich tausend Mal härteren Sex. Ich dachte ich wäre selbst schuld. Ich fühlte mich schmutzig. Dank meiner Therapeutin erkannte ich später, dass ich mich oft in Situationen brachte, die das ganze Szenario wiederholten. Ich wollte vergewaltigt werden, weil ich dachte, ich hätte es nicht anders verdient.

Mit 6 oder 7 hatte ich meine ersten sexuellen Erfahrungen. Das prägt. Bis heute stelle ich mir beim Sex oder wenn ich es mir selbst mache einige Szenen dieser Erfahrungen vor. Es macht mich irgendwie an und selbst dafür schäme ich mich. Aber es ist Gott sei dank nicht das Einzige, was mich an macht. Gleichzeitig jedoch überkommt mich eine große Ohnmacht und Wut, wenn ich daran denke, dass ich mich so oft in eine Opferrolle dränge, in die ich nicht gehöre. Er hat mich einfach benutzt und ist ungestraft davon gekommen. Er hat mein ganzes Leben verändert und geprägt und das nicht gerade positiv.

Diese Erfahrungen kann leider keine Liebe der Welt tilgen und ich wünsche sie keinem anderen Menschen. Immer wenn ich daran denke, dass jede dritte Frau einmal sexuell belästigt wurde, wird mir ganz schlecht und ich frage mich, wann endlich jemand kommt und sich um die ohnmächtigen Opfer kümmert. Wer die Frauen oder auch Männer anspricht und ihnen Mut macht die Wahrheit zu sagen. Wer uns das Gefühl gibt, dass wir nicht schändlich und entweiht sind, weil irgendein Ekel Lust hatte uns zu benutzen. Wer hilft uns, den Mut zu finden gegen unsere Täter aus zusagen? Wie kann so eine Tat überhaupt verjähren und warum wird ein eventuell zerstörtes Leben weniger schlimm geahndet als ein angezündetes Polizei-Auto? Ich stehe wieder mitten im Leben, aber es gibt viele, die nicht aufgefangen werden. Sie alle fallen und niemand scheint sich darum zu kümmern.

Ich bin zwar auch noch das kleine ängstliche Mädchen, aber dieses Mädchen wird jetzt von einer halbwegs erwachsenen Frau gelenkt. Ich beschütze mich selbst und lasse nicht mehr zu, dass man mich ausnutzt. Meine Sexualität gehört mir und ich teile sie mit dem, den ich gewählt habe und in den Grenzen, die ich bestimme. Ich werde geliebt und das unabhängig davon, wie oft oder wie gut ich blasen kann und trotzdem werde ich in meiner Erinnerung immer ein Opfer sein und mich dafür schämen.

Das Licht geht an.

Februar 7, 2010

Wir springen die ganze Zeit um einander herum und stehen am Ende auf unterschiedlichen Feldern. Bis zum letzten Moment zögern wir die Entscheidung für ein Feld heraus. Will ich eine offene Beziehung? Kann ich damit leben, wenn er eine offene Beziehung will? Ich entscheide mich erstmal für das Zwischenfeld, für „Vielleicht“. Schließlich kann ich mir eine Affäre mit R gut vorstellen. Ich verliere K dabei aber aus den Augen und verpasse seinen bewussten Sprung auf „Nein“ .

1, 2, 3 letzte Chance vorbei! Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht“.

Das Licht geht an. Er steht alleine auf dem beleuchteten Feld und sieht mich enttäuscht an. Ich hatte es verpasst, zu ihm zu springen. Dabei will ich doch nichts lieber als mit ihm im Licht stehen. Wie konnte ich das nur vergessen. Sex oder Liebe mit anderen hin oder her. Ich will ihn. Nein, ich will vielmehr uns. Das ist alles, was ich wirklich brauche. Warum wollte ich uns immer wieder kleine Tode sterben lassen, um eine Freiheit aus zu leben, die ich gar nicht benötige? Wir sind doch auch so glücklich, sogar glücklicher. Wir haben weniger Angst, mehr Intimität, mehr Vertrauen und weniger Schmerz. Auch sexuell gesehen, erlebe ich mit K auf Grund meiner Gefühle für ihn immer wieder neue Höhepunkte, die ich mit Anderen nie erleben könnte.

Ich hatte mich so unter Druck gesetzt, dass ich das alles schon vergessen hatte. Wir sind keine Kandidaten für offene Beziehungen oder die Polyphilie. Ich hätte das viel früher erkennen können. Ich zwang mich dazu Schmerzen zu ertragen und zu verursachen. Zur Liebe gehört es für mich jedoch, unnötige Verletzungen des Partners zu vermeiden. Für mich sind die Verletzungen, die wir uns in den letzten Wochen zugefügt haben nicht wirklich unnötig, weil ich aus ihnen gelernt habe und jetzt mehr denn je weiß, was ich will. Es wäre jedoch unnötig, die gleichen Situationen immer wieder von Neuem zu durchleben. Ich kann meine menschliche Unsicherheit nicht abschalten und er genauso wenig. Wir sollten sie also nicht täglich herausfordern und uns in eifersüchtige Gefühle stürzen, die wir in solchen Situationen nicht vermeiden können.

Vielleicht sind wir ja spießig, aber diese Zweisamkeit ist das, was wir uns wünschen und was wir brauchen. Ich bin endlich wieder glücklich.